Kommissarin Moll und die Tote aus der HafenCity by Isabel Bernsmann

Kommissarin Moll und die Tote aus der HafenCity by Isabel Bernsmann

Autor:Isabel Bernsmann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2022-12-15T00:00:00+00:00


*

Frederica drehte den Brief um. Er war zugeklebt. Sehr langsam ging sie in die Küche, um ein Messer zu holen. Noch langsamer kam sie mit Brief und Messer zurück. Matthias hatte sich aufs Sofa gesetzt und schwieg. Sie setzte sich dazu, den Brief in der einen und das Messer in der anderen Hand, und sah auf den Boden. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es sein würde, diesen Brief aufzumachen und zu lesen. Sie hatte naturgemäß etwas Angst davor. Was sie jedoch hauptsächlich fühlte, war Erleichterung. Vielleicht nannte er seinen Mörder, vielleicht hatte er sich doch selbst getötet. Aber das war durch die Nachricht, die er ihr hinterlassen hatte, zweitrangig geworden. Er war nicht ohne eine Erklärung gegangen. Und die Erklärung war nur für sie bestimmt, deshalb hatte er sie im kleinen dicken Ritter versteckt. Obwohl ihre Mutter den Brief auch nicht aufgemacht hätte, wenn sie ihn auf dem Tisch hätte liegen sehen, hatte er sich die Mühe gemacht, ihn dort zu verbergen. Ihre Mutter kannte das Buch nicht. Sie hatte Frederica nie etwas vorgelesen.

Sie sah auf, als sie Matthias’ Hände auf den ihren spürte. Er nahm ihr Brief und Messer ab und sah sie fragend an. Ihr fiel auf, dass ihre Hände zitterten. Sie nickte. Matthias öffnete den Umschlag und gab ihr zwei eng beschriebene Seiten zurück.

Sie klappte sie auf und nickte erneut. »Dann wollen wir mal.«

Meine kleine Fredi, übermorgen bist du volljährig. Wie für jeden Vater kommt die Tatsache auch für mich etwas überraschend. Gestern habe ich dir noch die Heldenreise von Sir Oblong vorgelesen, immer und immer wieder, obwohl du eigentlich noch zu jung für das Buch gewesen bist, und wir haben gemeinsam über den dummen Baron Bolligru gelacht und uns mit dem pfiffigen Ritter gefreut. Er war gerecht, er liebte Tiere und er fand ausgefallene Methoden, um die Schwachen zu schützen. Wenn ich es mir recht überlege, war die Figur Sir Oblong der erste Underdog. Und du seine erste Schülerin.

Und nur ein paar Tage später entlasse ich dich ins Leben. Eine garantiert aufregende und spannende Reise erwartet dich. Wie lange ich mir deine ausgefallenen Methoden, die Schwachen zu schützen, noch werde ansehen können, wissen wir nicht. Wenn alles gut geht, werde ich irgendwann unter einem neuen Vorwand deine Mutter besuchen und den Brief wieder an mich nehmen. Ich wünsche mir sehr, dass es dazu kommt. In der Zwischenzeit wird Sir Oblong-Fitz-Oblong meinen vielleicht letzten Brief an meine einzigartige Tochter sicher verwahren.

Ich habe etwas Dummes getan. Ich habe das, was ich dich gelehrt habe, selbst nicht befolgt: Suche dir deine Freunde sorgfältig aus und vertraue ihnen dann bedingungslos. Den letzten Teil habe ich gut hinbekommen. Den ersten nicht so.

Ich rede natürlich von Henning. Indirekt auch von deiner Mutter und ihrem Verhältnis zu ihm. Dass ich eventuell nicht dein Vater bin, habe ich zu den Akten gelegt. So, es ist raus. Und ebenso schnell solltest du es wieder vergessen. Warum ich es überhaupt erwähne? Weil ich dich liebe und du vorsichtig sein musst.

Noch bist du sicher – nur ich bin es nicht.



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